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Energiefresser

Der Kampf gegen die Realität

Was kostet so richtig viel Energie? Na was meint ihr? Nein es sind nicht die nervigen Kinder, nein auch nicht der anstrengende Job, auch nicht die Schwiegermutter, die derzeit angespannte Zeit oder das anspruchsvolle Trainingsprogramm.

Das was jedem Menschen am meisten Energie kostet, ist der Kampf gegen die Realität.

Und natürlich sind nervige Kinder, ein anstrengender Job, die Schwiegermutter, die angespannte Zeit oder das anspruchsvolle Trainingsprogramm Teil der Realität. Und sie sind so - wie sie sind - manchmal anstrengend.


Was ist der Kampf mit der Realität?

Hier ein Beispiel. Ich bin zutiefst genervt, wenn ich von einer bestimmten Person ein Mail bekomme. Diese Person ist zutiefst unzufrieden und ich habe jedes Mal das Gefühl Schuld daran zu sein, dass sie nicht zufrieden sein kann. Jedes Mal also wenn dieses Mail eintrudelt, will ich es schon gar nicht öffnen. Ich warte auf meinen Freund, damit ich es in seiner Anwesenheit öffnen kann (Hinauszögerungs-Strategie). JA, ich komme mir dabei ganz schön blöd und kindisch vor. Und JA, in Gedanken sage ich mir," ja meine Güte, so schlimm wird es schon nicht werden. Sei erwachsen!"

Aber trotzdem beschleunigt sich mein Puls und ich habe das Gefühl gleich einer Mega Attacke ausgesetzt zu werden. Es wird mir wieder an den Kragen gehen. Ich werde schon wieder Vorwürfe bekommen bzw. aufgezeigt bekommen, wie sehr ich nicht entspreche. Ich hasse diesen Zustand. Und weil ich diesen Zustand so sehr hasse, kämpfe ich auch dagegen an. Doch auch er ist in der Realität - im Hier und Jetzt genauso da, wie er eben gerade ist: überaus unangenehm!


Detached und realistisch gesehen, bekomme ich stinknormale Emails mit einer stinknormalen Anfrage oder Mitteilung. Aber ihr wollt gar nicht wissen, was ich alles aus den wenigen Zeilen herauslesen kann. Weil ich kenne nämlich unsere Geschichte und ich kenne diese Person.


Und genau hierauf fußt der Kampf mit der Realität. Diese Person ist einfach unzufrieden. Und ich weiß das. Trotzdem will ich es jedes Mal anders haben. Ich wünsche mir, dass sie zufrieden ist und mich in Ruhe lässt. Doch das tut sie nicht, weil sie eben so ist, wie sie ist. Und das kostet mich Kraft und Energie und zwar einen Haufen. Aber es ist nicht sie, die mich Energie kostet, sondern meine Reaktion, mein Widerstand kostet mich in Wahrheit die Energie. Der Energiefresser ist nicht die Person, sondern mein Kampf mit der Realität.


Dieser Kampf gegen die Realität schaut bei jedem anders aus.

Es kann der Widerstand gegen das sture, bockige Kind sein. "Wieso ist er nicht einfach lieb und gehorsam?"

Oder der Widerstand gegen das Küche putzen. "Wieso macht das die Küche nicht selber, oder halt wer anderer?"

Der Widerstand gegen das Alleinsein. "Wieso kann ich nicht nicht allein sein?"

Der Widerstand gegen den/die Ex. "Wieso kann er/sie nicht einfach friedlich sein und mich in Ruhe lassen?"

Der Widerstand gegen die Arbeit. "Wieso ist die Arbeit nicht interessanter, weniger fordernd, lustiger...?"

Der Widerstand gegen das Wetter. "Wieso ist es so heiß, so kalt, so regnerisch , so sonnig?"


Wieso kämpfen wir eigentlich mit der Realität?

Würde ich die Realität annehmen, dass also meine Beispielperson einfach eine unzufriedene Person ist, dann würde ich spüren, dass es mich schmerzt sie immer wieder zu enttäuschen.

Mein Kampf mit der Realität ist also nichts anderes als ein Schutzmechanismus. Im Grunde cool, wenn er nicht einerseits soviel Energie kosten würde und andererseits davon ausgeht, dass das Gegenüber/die Situation/der Umstand oder eben die Realität sich ändern sollte.

Das was ich mir eigentlich wünsche, in Frieden gelassen zu werden, mache ich in keinster Weise mit der Realität. Die lasse ich genauso wenig in Frieden. Schon interessant oder? Spieglein, Spieglein an der Wand....

Was macht denn eigentlich meine Reaktion mit meinem Gegenüber? Okay, ich nehme an, dass es dem Wetter egal sein wird, wenn ich in Widerstand dazu gehe und es anders haben will als es ist, aber ein Mensch? Wie geht es dem, wenn er immer wieder in meiner Haltung liest, dass er doch bitte anders sein soll, als er ist.

Kennt ihr das nicht auch? Da bekommt man doch glatt das Gefühl nicht richtig zu sein, so wie man ist....und Schuld daran zu haben, dass es dem anderen schlecht geht....

Die Katze beißt sich in den Schwanz.


Ausstieg aus dem Ring

Um jetzt nicht ewig im Kampfring zu bleiben, macht es Sinn auszusteigen. Wie das geht? Durch Annahme - bedingungslose Annahme. Jesus hätte dazu bedingungslose Liebe gesagt, halt in seiner Sprache. Nehme ich diese Person an, so wie sie ist, kämpfe ich nicht gegen die Realität. Sie darf bleiben wie sie ist, genauso wie ich bleiben darf, wie ich will. Ich wiederum darf wählen wieviel Zeit ich mit dieser Person verbringe oder wie nah sie mir kommen darf - und das gilt vice versa.

Genauso kann ich das heiße Wetter weiterhin nicht mögen, aber dass ich dagegen in Widerstand gehe, macht keinen Sinn und kostet nur Energie.

Nehme ich meine Umgebung bedingungslos an, heißt das nicht, dass ich ab nun alles was daherkommt lieben muss. (Ich bin mir recht sicher, dass es da einen Fehler in der Übersetzung der Bibel gab.) Ich darf es auch hassen. Der Gewinn bzw. der Unterschied ist, dass ich nicht mehr dagegen ankämpfe und das löst in mir einen Frieden aus.

Einen heilsamen Frieden. Denn jedes Mal, wenn ich jemand anderen zugestehe, dass er sein darf wie er ist, reflektiert das auf mich zurück und ich erlaube auch mir so sein zu dürfen wie ich bin.

Wenn ich also das nächste Mal ein Mail von P. bekomme, darf ich reagieren, wie ein hysterisches, kleines Kind, wenn ich das will. Welch Erlösung!




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